Meine Höflichkeit kotzt mich an. Ernsthaft, ich würd gern diesen Teil meiner Kinderstube zurückgeben. Geht aber nicht, sie hat sich bereits verfestigt. Also lass ich mir meine kostbare Zeit rauben, damit ich niemanden vor den Kopf stoße.

Wie heute Morgen, als ich auf dem Weg zur Arbeit angesichts der unchristlich frühen Uhrzeit und des Mangels an Koffein in meiner Blutlaufbahn Schwierigkeiten hatte, mich zu entscheiden. Da stand ich wie a Schweibal wenn’s blitzt vor dem Kochspielhaus und überlegte. Coffee to go, Obstsaft to go, ne Breze oder was Süßes? Oder alles?

Da springt mir einer, den ich sporadisch kenne vor die Füße und redet mich an. Keine Ahnung was es genau war, das übliche Geschwafel eben, das mir echt den Morgen vermieste. Kann man nicht einfach mal blöd in der Gegend rumstehen und noch blöder schauen ohne dass man sich unterhalten muss? Im Übrigen hatte ich – wie immer – Kopfhörer in den Ohren. Auch das hielt ihn nicht ab. Als ich sie raus nahm, hörte ich ihn noch für mich mitbestellen. To stay!!!

Den Kaffee in 3 Schlucken geext, weil ich es natürlich “waaahnsinnig eilig” hatte, mich artig bedankt, lief weiter und war genervt von mir selbst und meiner verbrannten Zunge. Der arme Kerl konnte aber wirklich nichts dafür. Abgesehen davon, dass er gruselig gut drauf und redselig für diese Uhrzeit war, hatte er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Ich hätte auch einfach wortlos weitergehen oder sagen können, dass ich keine Zeit/ Lust oder Sonstiges hab. Aber nein, diese ganze Höflichkeitsnummer hat sich scheinbar komplett verselbstständigt. Meine Mimik und Gestik, Körpersprache und sogar verbale Artikulation werden fremdbestimmt von dieser sogenannten Tugend, die Besitz von mir ergriffen hat.

Oh Gott, ich hör mich wirklich an wie ein Menschenhasser. Mein Freund K nennt mich neuerdings so.

Aber das war auch aus einer anderen Situation heraus. Als wir nämlich letzte Woche beim Lunch saßen und ich von der Toilette wiederkehrte, war ein Freund von ihm am Tisch, der noch während ich mich setzte, die komplette Liste an Namedropping, seinem Jetset Leben und – ich schwöre, es hat sich genauso begeben – den Betrag, den er eben beim Shoppen auf der Maximilianstrasse ausgegeben hat, raushaute. Ich konnte gerade noch zur Beruhigung an meinem Glas nippen, da rundete er das Ganze auch noch ab mit “kommt doch heute Abend in mein LOFT auf nen Sundowner”.

Während ich kurz darauf aus dem Lokal taumelte, erklärte ich K also, dass ich Menschen hasse.

Das kann man mir in Anbetracht dieser grandiosen Vorstellung einer Madcity-Horror-Picture-Show doch nicht verübeln, oder?

Immerhin war es in diesem Fall dann doch gut, dass ich so viel Höflichkeit besitze. Sonst hätt ich ihn womöglich noch gefragt, ob die Profilneurose schon zu groß ist oder ob man sie noch in den After zurückschieben kann.

Kind regards,

Madness

Mad City

3 Replies to “Art-ig”

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