Musste meiner Freundin E versprechen, endlich meinen Winterschlaf zu beenden. Dabei ist es so uhuungemütlich da draussen und ich wollte mich noch ein bisschen akklimatisieren. Gerade erst hat das Jahr begonnen, ich hatte vorher bereits aus Versehen mit dem Rauchen aufgehört und bin am Neujahrstag vor lauter Lachen aus dem Hotelbett geplumpst. Seitdem ist meine rechte Schulter etwas außer gefecht, was wiederum eine schöne Ausrede ist, um noch nicht gleich wieder das Sportprogramm aufzunehmen.

Immerhin war ich ueber das lange Silvester Wochenende in Berlin und bin dort auch mal wieder unter Leute gegangen. Ich war wirklich stets bemüht, redselig und unvoreingenommen. Dies fuehrte unter anderem dazu, dass ich einen Clubbesitzer, der aussah wie ein waschechter Drogendealer aus Kreuzberg und mir erklärte, er würde in ein paar Tagen nach Garmisch fahren – fragte ‘Ah wie schön. Zum Skifahren?’. Ich konnte ja nicht wissen, dass man in Garmisch ‘Geschäfte machen’ kann!

Jedenfalls hab ich nach diesem und anderen Fettnäpfchen für dieses Jahr beschlossen, mich weniger neurotisch zu verhalten. Muss noch googeln, wie das geht und will nicht in High Heels im Schnee versinken, deshalb darf ich noch ein bisschen Couchpotato sein. Aber nicht um Dschungelcamp zu schauen, wie mein Freund S heute vorschlug. Denn so ein Panoptikum, in dem arme Z “Promis” vorgeführt werden, ist zu viel für mein zartes Gemüt. Ich kann Fremdschämerei nicht so viel abgewinnen, wie der Großteil der Bevölkerung. Nicht weiter schlimm, ich kann ja nicht alles können. Und ich muss auch nicht alles behalten, was sich im Laufe der letzten Jahre angesammelt hat. Also mache ich lieber einen inneren Frühjahrsputz: überholte und naive Ansichten werden entstaubt und Unnötiges kommt weg, damit der Blick auf das Wesentliche frei wird und meine Texte in Zukunft weniger wirr ausfallen.

Als ich neulich Abend von der Abschiedsfeier meines Freundes J – er geht fuer 3 Jahre nach China – nach Hause fuhr, stellte ich fest, dass wir alle mit den Jahren leichte Schäden davongetragen haben. Es gilt also nicht nur, den Staub wegzuwischen, sondern auch Schäden auszubessern und manches loszulassen. Denn wie mein Freund J an diesem Abend in seiner Rede sagte, ist das Leben eine kurze Reise, auf der man manchmal auch Ballast loswerden muss. Ich mag diesen Gedanken, denn ich reise eh am liebsten mit Handgepäck. Mit Schuhgröße 35 und Neurosen unter 100ml komme ich damit ca 365 Tage zurecht.

Mad City

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