London calling. Deshalb musste ich letzten Sonntag meinen schweren Kopf aus dem Bett hieven, den Schwindel ignorieren und mir ein Gesicht aufmalen, das wenigstens den Anschein weckt, ich wäre topfit.

Im Taxi zum Flughafen fielen mir vier (!!) Sachen ein, die ich vergessen hatte. Wieder Zuhause, merkte ich, dass es sogar noch ein paar mehr waren. Dafür lief der zweite Anlauf rund, ich war pünktlich am Flughafen, trank in Ruhe meinen Kaffee und gefühlt 5 Liter Coke Zero und deckte mich mit Zeitschriften ein, um das zu tun, wofür ich wirklich nur auf Reisen Zeit habe: lesen.

War mir nur leider nicht vergönnt. Im Flieger saß ein Mann namens Matthew neben mir, der in London lebt und Investmentbanker ist. Woher ich das weiß? Nun, er sagte es mir direkt als ich mich setzte. Noch während ich verzweifelt die Zeitschriften und Kopfhörer aus meiner Tasche kramte, hatte er bereits seine komplette Vita dargelegt. Vielleicht hatte ich mir ein freundlich interessiertes Gesicht aufgemalt, denn er hörte erst auf, als ich mich schlafend stellte.

Im Taxi dann direkt der nächste Mitteilungsbedürftige. Ich mag ja die Taxifahrer in London. Sie nennen einen „darling“ und „my love“ und sind irgendwie charming. Während ich in Münchner Taxis entweder angebrüllt werde, wo die jeweilige Straße eigentlich sein soll oder mir biblische Hörbücher anhören muss…

Jedenfalls war ganz London besonders gesprächig drauf, jeder Mensch dem ich begegnete, wollte irgendetwas loswerden. Meine Freundin B würde wieder sagen, das läge an mir und meiner unangebrachten Höflichkeit…

Am 3. und letzten Abend stellte mir ein Kollege einen Freund vor. Ein Lord. Kein Witz. Der Mann war Lord „irgendwas“. Auf den eigentlichen Namen hab ich nicht geachtet, weil ich sofort an dieses Münchner Syndrom denken musste: die Besessenheit davon, wer welchem Beruf nachgeht. Typisches Symptom: Die Frage „und was machst du so?“ wird in den ersten 3 Sekunden gestellt. Fast schon tourette-artig.

Die Engländer haben uns hier aber – man mag es kaum glauben – um Längen geschlagen. Auf der Insel brauchst du nicht mal fragen, denn wenn es ein Lord ist, wird er es dir eh direkt sagen. Und wenn nicht, ist er sicher wenigstens Investmentbanker.

Wieder in München erzählte mir meine Freundin S von ihrem Date mit einem Mann, dessen Beruf ihr vorher nicht bekannt war. Es stellte sich heraus, dass er Magier ist. Und es für ne gute Idee hält, beim ersten Date in einer Bar ein paar Zaubertricks vorzuführen.

Manchmal ist es also doch ganz gut, sich vorab die Vita geben zu lassen.

 

Mad City

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